Grünau, Gladbach und Gleichmäßigkeit

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Tim Mittermüller verfolgt einen ganz besonderen Traum.

Wenn Tim Mittermüller den Trainingsplatz betritt, bekommt man immer was geboten: In schöner Regelmäßigkeit stellt der 33-Jährige dann neue exotische Trikots zur Schau, die in kaum einer anderen Trainingstasche zu finden sind: Athletic Bilbao, Ajax Amsterdam, Chievo Verona, das Natio­naljersey Kameruns, Olympique Marseille und natürlich Borussia Mönchengladbach, sein Herzensklub. „Als die Trainingsbeteiligung besonders gering war, habe ich es sogar geschafft, allen Jungs auf dem Platz ein Gladbach-Trikot überzustülpen“, grinst Mittermüller.

Dabei ist sein Trikot-Tick ein einziges Paradoxon. Denn so wechselhaft er auf dem Übungsplatz die ausgefallensten Shirts aus aller Welt überstreift, so gleichmäßig trägt er seit mehr als 26 Jahren nur ein einziges Trikot, wenn es um Punkte geht: das vom Grünauer Ballspielclub 1917.

Als Mittermüller das erste Mal bei den Treptow-Köpenickern gegen den Ball trat, hatte Helmut Kohl noch zwei Jahre als Bundeskanzler vor sich. Im Oktober 1996 war das. Von der F-Jugend bis zu den Männern hat er am Buntzelberg alles miterlebt. Zunächst sorgte er ab 2008 in der 2. Mannschaft für Aufsehen, feierte zwei Aufstiege von der Kreisliga B bis in die Bezirks­liga, um dann in die 1. Mannschaft aufzurücken, die in der Landesliga spielte. Inzwischen ist er der Kapitän der wieder in der Bezirksliga angekommenen GBC-Herren und in etwa das, was Paolo Maldini beim AC Mailand, Francesco Totti bei der AS Rom oder Jamie Carragher beim FC Liverpool waren: ein One-Club-Man. Nicht umsonst sagt sein Trainer Jörg Zander: „Timmi hat schon Legenden­status in Grünau.“

Dabei hatten ihn seine Eltern als kleinen Knirps ursprünglich beim Lokal­rivalen in Altglienicke anmelden wollen, „aber als wir da waren, hat sich keiner um uns gekümmert. Also sind wir wieder gegangen und haben mich dann bei Grünau angemeldet.“ Und hier kommt er nun auf die Statistik von 199 Liga­spielen, 15.951 Minuten, 81 Toren und 83 Vorlagen für die 1. Mannschaft. Zum Rückrunden-Auftakt am 29. Januar gegen BW Spandau könnte Mittermüller also ein Jubiläum  feiern und sein 200. Spiel machen.

Ob dieses Spiel auch der Anpfiff für eine Jagd auf die Aufstiegsplätze sein wird für die auf Rang drei lauernden Grünauer? „Da bin ich ein bisschen vorsichtig“, sagt Mittermüller. Das letzte Mal, dass sein GBC derart aussichtsreich in Position lag, war die Saison 2017/18. Vor dem ersten Rückrunden-Spiel wurde in der Kabine der Aufstieg als Ziel ausgerufen – 90 Minuten und eine 0:4-Klatsche beim Köpenicker SC später aber war alles schon wieder vorbei. „Wir sollten da den Mund nicht zu voll nehmen.“ Ein Aufstieg ist ohnehin nicht das, was ihn antreibt, jede Woche zu kicken. „Na klar, das wäre schon was“, sagt er. Insgeheim aber verfolgt der Routinier einen anderen Traum: Er will solange  für die 1. Mannschaft spielen, bis seine ehemaligen G-Junioren, die er acht Jahre lang trainierte, alt genug sind, um neben ihm auf dem Platz zu stehen. Besagter Jahrgang spielt aktuell in der C-Jugend. „Ich müsste dafür also noch die nächsten vier bis fünf Jahre überleben“, lacht er.

So schnell wird Jörg Zander aber eh nicht auf seinen Alleskönner verzichten, den er im Sturm als Vollstrecker, auf der Zehn, aber auch auf der Sechs als ordnende Hand aufbieten kann. „Timmi ist mein verlängerter Arm auf dem Platz und mental ein Monster, der alle mitzieht. Wenn er nicht da ist und das Verbale wegfällt, klafft schon eine Lücke auf“, sagt sein Coach. „Er trifft als Leader den Nerv, ist ein wichtiger Ideen­geber und im Moment von keinem zu ersetzen.“ Zander habe schon viele Fußballer kennengelernt, „aber Timmi ist schon ein spezieller Typ und passt als Mensch in die Welt“. Man bekommt mit Tim Mittermüller eben immer was geboten.

Dieser Artikel über den Kapitän unserer 1. Herrenmannschaft ist vor wenigen Wochen in der FuWo erschienen. Dank der Zustimmung von Autor Steven Wiesner und der FuWo dürfen wir den Artikel auf unserer Homepage veröffentlichen. Vielen Dank dafür! Hier gehts zur Seite der FuWo und wer noch kein Abo hat, der sollte dringend eins abschließen.